1. Herr Dr. Kollatz-Ahnen, die Einen bezeichnen den kürzlich verabschiedeten Doppelhaushalt 2016/2017 als Wahlkampfhaushalt, die Anderen fordern von Berlin mehr Investitionen. Welche Strategie verfolgen Sie mit dem Doppelhaushalt? Worauf liegt das Haupt-Augenmerk und welche konkreten Probleme sollen in dem Haushalts-Zeitraum gelöst werden?
    • Zentrales Anliegen bleibt weiterhin die Konsolidierung des Haushalts. Gleichzeitig müssen Spielräume für Investitionen geschaffen und genutzt werden. Das gilt vor allem für die Bereichen der Stadt, die aufgrund des erfreulichen Wachstums besonders gefordert sind, also die soziale Infrastruktur wie Kitas, Schulen und Krankenhäuser. Genauso müssen für den öffentliche Personennahverkehr und den Wohnungsbau Mittel bereitgestellt werden. Günstiger Wohnraum ist dringend erforderlich. Berlin wächst jährlich um ca. 45.000 neue Einwohner/innen. Diese Zahl berücksichtigt noch nicht die Flüchtlinge. Günstiges Bauen stellt allerdings eine echte Herausforderung für eine Stadt dar, in der viele Jahre sehr teuer gebaut wurde, um anschließend die Mieten herunter zu subventionieren. Etwa ein Drittel der Schuldenlast Berlins stammt aus dieser Zeit.
    • Apropos Schulden: Mit seiner nach wie vor sehr hohen Schuldenlast bleibt Berlin anfällig bei Zinssteigerungen. Der Schuldenabbau muss deshalb weiter konsequent vorangetrieben werden. Denn man darf sich nicht täuschen: Die Niedrigzinsphase ist immer noch Ausdruck einer Krise und nicht Ausdruck von Normalität.
    • Was auch angegangen werden muss: Berlins Verwaltung muss leistungsfähiger werden. Die Bürgerämter werden personell besser ausgestattet, um den Anforderungen der wachsenden Stadt und den berechtigten Erwartungen der Bewohnerinnen und Bewohner besser zu entsprechen. Allerdings müssen sie sich in Sachen Effizienz auch mit anderen Städten messen lassen können.
    • Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Flüchtlinge sagen. Für die nach Berlin geflüchteten Menschen bedarf es adäquater Unterbringungsmöglichkeiten. In diesem und dem kommenden Jahr werden verteilt über das gesamte Stadtgebiet Container und Modularbauten errichtet. Bis zum Sommer sollen mithilfe der Container die aktuell etwa 50 Turnhallen wieder freigegeben werden können, in denen etwa 10.000 Flüchtlinge untergebracht sind. Die modularen Bauten bieten perspektivisch Wohnraum auch für Studierende und junge Familien.
  2. Berlin ist DIE Stadt der Startups, Deutschland ein Gründerland. Doch noch lassen große Global Player „Made in Berlin“ auf sich warten, noch schielen die Berliner Startups sehnsüchtig auf das finanz- und investorenfreundliche Silicon Valley und seinen weltweiten digitalen Trendsettern wie Google oder WhatsApp. Welche finanzpolitischen Anreize können aus Ihrer Sicht geschaffen werden, um große internationale Player nach Berlin zu locken? Welche staatlichen Förderungen sind langfristig tatsächlich notwendig, um Berliner Startups international wettbewerbsfähig zu machen?
    • Berlin hat eine bemerkenswerte Entwicklung zurückgelegt. Mit jährlich rund 40.000 Neugründungen ist sie deutsche Gründungshauptstadt. Alle 20 Stunden entsteht ein neues Internetunternehmen. Nach aktuellen Studien belegt die deutsche Hauptstadt bei der Anzahl von Wagniskapital-Transaktionen europaweit bereits jetzt einen Spitzenplatz.
    • Auf Landesebene stellt die IBB (Investitionsbank Berlin) das zentrale Förderinstrument dar. Ihre auf Darlehen und Venture Capital basierenden Förderungen haben überregional guten Ruf. Sie sind tatsächlich revolvierend und stehen nach Rückzahlung durch erfolgreiche junge Unternehmen für die nächste Generation zur Verfügung. Auch die Wachstumsfinanzierung wird jetzt in Berlin überwiegend revolvierend ausgelegt.
    • Auf Bundesebene stehen die Programme der KfW zur Verfügung. Im Mittelpunkt der Fachdiskussion steht gegenwärtig aber die steuerliche Förderung bzw. die Besteuerung nach dem Investmentgesetz, bei dem sich Bundestag und Bundesrat verständigen wollen.
    • Wir haben als Land Berlin einen Antrag eingebracht, der insbesondere die Situation von business angels und Investoren in Fonds für kleine neue Unternehmen auf der Grundlage einer allgemeinen Besteuerung verbessern soll‎. Der Bund hat nach heftigen Protesten der business angels seinen ursprünglichen Entwurf geändert, so dass die allgemeine Besteuerung nicht kommt, aber Umgehungstatbestände verhindert werden. Ich bin optimistisch, dass wir eine Lösung finden.
  3. Die wachsende Stadt Berlin, deren Bevölkerungswachstumsprognosen ständig angehoben werden müssen, bringt auch große Herausforderungen mit sich. Einerseits sorgt der wirtschaftliche Aufschwung für steigende Steuereinnahmen, andererseits sind die Wohnungen knapp, die Bahnen voll und die Straßen kaputt. Wie wird die Balance gefunden zwischen Einnahmen und der Reinvestierung mittels angepassten Ausgaben für Infrastruktur, insbesondere mittels Steigerung der Etats der Landesunternehmen, aber auch Förderung von öffentlichem Wohnungsbau?
    • Wachstum ist zuallererst ein Glück für Berlin. Denn Wachstum bedeutet Einnahmen und Entwicklungsmöglichkeiten. Mit 1,85 Millionen sozialversicherungspflichtigen Menschen sind heute so viele Menschen in Berlin erwerbstätig wie noch nie in der wiedervereinigten Stadt. Berlin ist das bei Jobwachstum am stärksten wachsende Bundesland.
    • Aber Wachstum bedeutet auch eine Herausforderung für Berlin. Das gilt mit Blick auf den Wohnungsbau genauso wie hinsichtlich des Personennahverkehrs oder der Verwaltung. Wir brauchen dringend neuen Wohnraum innerhalb und außerhalb des S-Bahn-Rings. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben jetzt wieder auf Neubau umgeschaltet. Bis 2020 soll ihr Bestand um 60.000 auf dann insgesamt 400.000 Wohnungen erhöht werden. Außerdem werden wir verstärkt die Liegenschaften des Bundes nutzen, zum einen für Wohnungen zu sozial verträglichen Mieten, zum anderen für die Unterbringung von Flüchtlingen. Das vom Bund immer noch und immer wieder praktizierte Prinzip, an den Meistbietenden zu verkaufen, halten wir nicht mehr für zeitgemäß in wachsenden Kommunen, die wie Berlin dringend auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.
    • Sie haben nach den landeseigenen Unternehmen gefragt. Unternehmen wie die BVG oder die BSR gehören zu den größten kommunalen Unternehmen Deutschlands und Europas. Mit Ausnahme des BER schreiben sie alle schwarze Zahlen, ein großer Erfolg meines Vorgängers, den wir mit dem Team der Senatsverwaltung für Finanzen mit den Jahresabschlüssen 2015 fortgesetzt und ausgebaut haben. Die Landesbetriebe sind übrigens Schwergewichte auch bei Investitionen. Sie investieren gemeinsam über zwei Milliarden Euro und damit mehr, als an Investitionen im Haushalt vorgesehen ist. Der weist Investitionen in Höhe von 1,8 Mrd. Euro aus.
    • Es stimmt, das Wachstum fordert Berlin. Dass wir darauf nicht nur reagieren, sondern es vielmehr gestalten, zeigt auch dieses Beispiel: Wir haben jüngst mit der BVG, der BSR und den Berliner Wasserbetrieben Investitionsvereinbarungen abgeschlossen, die den Unternehmen langfristige Planungs- und Investitionssicherheit bieten. In den kommenden Jahren werden wir zum Beispiel der BVG über eine eigene Finanzierungsgesellschaft drei Milliarden Euro für Fahrzeuginvestitionen zur Verfügung stellen. Das ist schon ein ordentliches Volumen.

 

Datum: 11.03.2016