1. Change als Chance: „Veränderungen sind positiv, denn sie bedeuten Weiterentwicklung“, so Axel Springer Vorständin Dr. Stephanie Caspar. Sind Sie, Herr Thadeusz, Veränderungen auch so aufgeschlossen wie Frau Caspar? Oder ist Ihnen das Tempo zu rasant?
    • Ich lebe schon lange genug, um einige Veränderungen mitbekommen zu haben. Ich muss keinen Falk-Plan mehr falten. Will ich telefonieren, muss ich in keine Kabine treten, in die vorher jemand reingepullert hat. Lexika sind Altpapier, im Regal wird es luftiger. Am Ende kann ich für Veränderungen nur dankbar sein. Denn ich profitiere vor allem von ihnen. Kann sie aber nicht selbst auslösen. Denn außer einem stetig verbesserten Hühnerfrikassee bin ich schlimm uninnovativ.
  2. In Ihrer Sendung THADEUSZ sagte die Staatsministerin Dorothee Bär kürzlich: „Wir haben eine Welle der Digitalisierung verschlafen, aber wir können es schaffen.“ Was ist Ihre Meinung? Wie können wir es schaffen, ohne im Optimierungswettlauf Gefahr zu laufen, unser nicht perfektes Menschsein mit allen liebenswerten Ecken, Kanten, Einzigartigkeit mit Fehlern gar abzuschaffen?
    • Diejenigen, die sich was einfallen lassen, brauchen mehr Verehrung. Wer weiß denn, dass sich Hans-Georg Musmann vom Fraunhofer-Institut Erlangen das mp3-Format ausgedacht hat? Wann feiern wir den? Warum ist Guido-Maria Kretschmer viel berühmter? Ich bin für ein Angst-Moratorium. Ein Jahr, in dem kein Deutscher öffentlich auftritt und in einem technologischen Zusammenhang erst einmal seine Ängste beschreibt. Fortschrittsenthusiasmus hat historisch einige Macken abbekommen und kann auch dümmlich wirken. Aber wir haben ihn gemeinsam bitter nötig. Sonst haben wir als Hochtechnologieland keine Chance, sondern bleiben für immer Telekom.
  3. Frau Caspar ist eine der wenigen Vorständinnen in DAX geführten Unternehmen. Laut der aktuellen Allbright Studie beträgt der Frauenanteil in den Vorständen nur 8,8 Prozent – so wenig wie in kaum einem anderen westlichen Industrieland. Zahlreiche Aufsichtsräte veröffentlichen sogar ausdrücklich ein Ziel von Null Frauen im Vorstand. Brauchen wir mehr Frauen in Vorständen, Aufsichtsräten oberen Führungsetagen, um die massiven Herausforderungen zu stemmen? Anders gefragt, haben die Männer die Digitalisierung verschlafen? 
    • Die Männer haben sich zu sehr von ihren Gefühlen leiten lassen. Achtzig Prozent aller Entscheidungen in Vorständen sind rein persönlich, hat mir ein Mann aus einem großen Vorstand erzählt. Ginge es nach Verstand und Vernunft, käme niemand auf den Gedanken eine Hälfte der Menschheit von Vorstandsentscheidungen auszuschließen. Jenseits aller emanzipatorischen Moral ist das ökonomisch fahrlässig. Ist übrigens auch schon ausgerechnet, was es Unternehmen kostet, ohne das Urteil von Vorstandsfrauen über die Runden kommen zu wollen.

 

Mai 2019

Foto: Annette Koroll