Februar 2016

Als Stephanie Caspar im Mai 2013 als Verlagsgeschäftsführerin zur WELT kam, überraschte das viele. Die Zeitungsbranche war ihr neu. Auch Caspar hatte anfangs mit der Idee gefremdelt. „Über den Schritt in die Verlagswelt mit all ihren Höhen und Tiefen habe ich lange nachgedacht“, gab sie beim zweiten Unternehmerinnen-Frühstück der „DWOMEN – platform for women in digital business“ zu. Ihre Karriere startete die heute 42-Jährige bei McKinsey, bevor es sie zu den Digitalunternehmen Ebay und Immobilienscout verschlug und im September 2009 aus ihrer Küche heraus mit mirapodo ein Onlineversandhandel für Schuhe gegründet wurde.

 „Unternehmensberatung, das machst du nur kurz“, hatte sich Caspar bei McKinsey gedacht und sich digitalen Themen gewidmet. Obwohl sie alle für verrückt erklärt hatten – gerade war die erste Internetblase geplatzt –, ließ sich die gebürtige Bremerin nicht davon abbringen, über „Das Internet als Distributionskanal“ zu promovieren. In ihrer Untersuchung der „Auswirkungen von Breitband auf das Kaufverhalten“ erkannte sie E-Commerce bereits im Jahr 2002 als kommenden Trend, der aufgrund mangelnder Technik nur gerade seine Chancen vertan hatte. „Wie konnten sich so viele schlaue Leute so dermaßen irren, was die Entwicklung des Internet angeht“, fragt die Digitaldenkerin noch heute ungläubig. Die akademische Beschäftigung mit dem Kaufverhalten von Kunden im digitalen Zeitalter sieht die Betriebswissenschaftlerin als Grundstein für ihren weiteren Werdegang.

Mit den sechs Jahren in der Führungsebene von eBay Deutschland folgte darauf „eine ganz tolle Zeit“, wie Caspar berichtet. Während dieser entwickelte sich Ebay vom bloßen Online-Flohmarkt zum digitalen Marktplatz für fast Alles. Eine Zwischenstation blieben die elf Monate bei Immobilienscout, die mit der Gründung von mirapodo in das große Onlineversandhandel-Abenteuer mündeten. „Mit mirapodo habe ich die schönsten Jobmomente gehabt und ich glaube, jeder der gegründet hat, kann das nachvollziehen.“ Insbesondere der Teamspirit der Startup-Branche liegt Caspar am Herzen. Schon bei McKinsey verinnerlichte die überzeugte Teamplayerin das Motto „obligation to dissent“ – das bedeutet: „Hierarchie-Ebenen abbauen, wo sie nicht notwendig sind, und die Tür offen stehen haben.“

Diesen Spirit verbindet die Geschäftsführerin von WeltN24 nun mit einem erfolgreich dem digitalen Wandel angepassten Geschäftsmodell. Ein Grund für den Wechsel in die Medienbranche: „Die Disruption in den Medien ist noch einmal eine ganz andere, neue Technologien stellen alte Geschäftsmodelle in Frage.“ Ähnlich der Beschäftigung mit den Anfängen des E-Commerce in den Nullerjahren, ließen die ehrgeizige Managerin die Herausforderungen, vor denen Medien und Journalismus durch Digitales im aktuellen Jahrzehnt stehen, nicht los. An Lösungen arbeitet WeltN24 unter ihrer Führung frei nach dem Motto „test & learn“. WELT-Online experimentiert mit Paid Content, während interdisziplinäres Arbeiten zwischen Redakteuren und Software-Entwicklern und medienübergreifend mit dem Zukauf von N24 gefördert wird. „Informations- und Nachrichtenangebote im Netz sind für jüngere Generationen ohne Bewegtbild nicht vorstellbar“, erklärt Caspar die Übernahme, mit der gezielt auf neue Nutzungsformen reagiert wird.

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Als Transformationsmanagerin zählt Caspar zu ihren Aufgaben „auf jeden Fall, eine richtig geile Weihnachtsfeier zu machen.“ Dass ihre Stimme beim DWOMEN-Frühstück nicht weich und freundlich wie sonst, sondern etwas rau klang, führt sie auf die dem Event vorangegangene teaminterne Feier zurück, die einen Meilenstein des Wandels hin zu einer neuen Unternehmenskultur bildet. Zu bereuen gibt es also nichts, denn menschliche Beziehungskultur „ist viel wichtiger als Organisation, als Prozesse, als Businesspläne – es geht im Wesentlichen immer um die Kultur, und die wird geprägt von den Menschen, die in einem Unternehmen arbeiten.“ Zu dieser Kultur gehören neue Werte, wie auch eine offene und sachliche teaminterne Diskussions- und Debattenkultur: „Es sollte immer so sein, dass das Sachargument zählt.“Über allem steht das Team! „Mir sind Teamgeist und Fairness ganz wichtig“, erzählt Caspar, die sich von Team-Sportarten begeistern lässt. Neben ihrer Geschäftsführung im Team mit Co-Geschäftsführer Torsten Rossmann überträgt die Mutter einer Tochter den sportlichen Team-Gedanken auf ihr Privatleben. Sie kümmert sich als Vollblut-Mutter gemeinsam mit ihrem Mann Mirko Caspar, Geschäftsführer von Mister Spex, um die Erziehung: „Mirko hat Oberstress, ich habe Oberstress, aber Greta ist trotzdem immer unser Wichtigstes.“ Mittels dieser Teamarbeit gelingt es Caspar, etwas von der Last, die besonders Mütter in Führungspositionen häufig haben, abzugeben. Das Annehmen von Hilfe sollte nicht als Scheitern verstanden werden, man sollte sich „immer wieder daran erinnern, was einem wirklich wichtig ist, und das klar nach außen vertreten. Und offen gestanden: auch bei Axel Springer, das lange als männerdominiertes Unternehmen galt, was es heute nicht mehr ist – ich habe nie eine negative Erfahrung damit gemacht.“

Besonders Frauen sollten das in den Vordergrund stellen, was ihnen wichtig ist – und dazu konsequent stehen. Bei allem Ehrgeiz gehört Druck abgeben dazu, wie DWOMAN Stephanie Caspar den digitalen Unternehmerinnen und Gründerinnen als zentrales Learning mit auf den Weg geben will. „Man kann nicht immer perfekt funktionieren“, meint die selbstbewusste Entscheiderin, nur um mit einem Satz von Margaret Thatcher zu schließen: „‚If you want something said, ask a man, if you want something done, ask a woman‘ – und so erlebe ich das auch, diesen Spirit sollten wir beibehalten, ohne uns davon kaputt machen zu lassen.“

Über die DWOMEN – platform for women in digital business:

Nach der digitalen Weltverbesserin Joana Breidenbach begrüßten Andrea Peters, Vorstandsvorsitzende des media.net, und Sonja Kardorf, Vorstandsmitglied der IBB, im Rahmen ihrer Initiative „DWOMEN –platform for women in digital business“ im Dezember 2015 die digitale Vordenkerin von WeltN24, Stephanie Caspar, zur zweiten Ausgabe der Veranstaltungsreihe. Das nächste Treffen der DWOMEN findet am 12. Mai 2016 statt.

Text: Max Duhr