Einführende Einschätzung zum Thema


Stefan Tiemann, Geschäftsführer RFT kabel: “Es ist erfreulich, dass über fast alle Parteien hinweg das Thema Glasfaser als wichtigste Zukunftstechnologie Eingang in die Wahlprogramme gefunden hat. Aus gutem Grund: Nur mit dem Medium Glasfaser lassen sich heutige, aber auch künftige Ansprüche an Breitbandnetze erfüllen. So werden u. a. die Basisstationen des neuen Mobilfunkstandards 5G, aufgrund ihres hohen Breitbandbedarfs, ebenfalls über Glasfasernetze versorgt.

Mit der Idee, der Ernennung eines Staatsministers für Digitalpolitik bzw. der Bildung eines Digitalministeriums könnten Kompetenzen gebündelt und einheitliche, zukunftstaugliche Lösungen sowie Maßnahmen definiert werden. So ließen sich überholte Geschwindigkeitsforderungen wie auch veraltete Technologien (z.B. xDSL) endlich aus der Diskussion nehmen.

Fakt ist, der Glasfaserausbau kostet Geld. Den Netzausbau mit Mitteln aus der 5G-Frequenzversteigerung voranzutreiben, ist ein erster Schritt auf einem längeren Weg. Bei der Fördermittelvergabe durch den Bund bedarf es unbedingt einer Politik mit Augenmaß. So müssen Breitband-Projekte kleiner, alternativer Carrier berücksichtigt werden, um Marktverzerrungen und Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Auf politischer Ebene sollte ferner über Anreize für Endkunden nachgedacht werden, sich für Glasfaseranschlüsse zu entscheiden.

Für die flächendeckende Errichtung von WLAN-Netzen fehlen noch immer Anreize und wichtige rechtliche Rahmenbedingungen. Über eine zentrale Stelle, wie dem Digitalministerium, könnten schneller Lösungen gefunden werden, um z.B. Haftungsrisiken für Betreiber zu minimieren.

Digitalisierung und Glasfaserausbau sind zentrale, politik- und parteiübergreifende Themen, mit denen sich das neue Bundeskabinett prioritär beschäftigen muss. Denn Glasfaser- und alternative Gigabit-Netze sind Standortfaktoren, die in immer stärkerem Maße unserer Wirtschaft das Rückgrat stärken. Notwendige Grundlagen für ihren Ausbau müssen dringend geschaffen und durch die Parteien mit konkreten Maßnahmen untersetzt werden.”


Parteievorhaben und Expertenstatements


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“CDU und CSU sorgen für superschnelles Internet in allen Regionen”, so die Union in ihrem Wahlprogramm. Für sie ist die Digitalisierung Chefsache, daher soll im Bundeskanzleramt die Position eines ‚Staatsministers für Digitalpolitik‘ neu geschaffen, ein Kabinettsausschuss ‚Digitalpolitik‘ eingerichtet sowie ein ‚Nationaler Digitalrat‘ berufen werden. „Bis 2018 wird in Deutschland die Breitbandversorgung flächendeckend ausgebaut. Jetzt gehen wir weiter: Wir schaffen die ‚Gigabit-Gesellschaft‘. Deutschland soll das Land sein, in dem Daten in Echtzeit überall und für alle verfügbar sind.“ CDU/CSU wollen „den flächendeckenden Ausbau von modernen Glasfasernetzen vorantreiben und bis 2025 realisieren.“ Außerdem wird der 5G-Mobilfunkstandard als Schlüsseltechnologie angesehen: „Bei der Vergabe der Mobilfunkfrequenzen für 5G wollen wir die Ersten sein. Erlöse daraus werden wir in den Glasfaserausbau investieren.“ Mehr dazu im Wahlkompass Digitales.

Einschätzung von Stephan Höhn: „Die CSU verantwortete in den vergangenen Legislaturperioden federführend die Maßnahmen zur Förderung der digitalen Infrastruktur, insofern muss sich der löbliche Anspruch zur Förderung der Digitalisierung auch am Erreichten messen lassen. In dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren nicht viel Positives getan, so dass die geplante Neuordnung der Verantwortlichkeiten einen überfälligen Schritt darstellt. Die Einführung der neuen Position eines „Staatsministers für Digitalpolitik“ an zentraler Stelle im Bundeskanzleramt sollte der besseren Abstimmung zu diesem Querschnittsthema dienlich sein. Primäres Ziel dieser Neuordnung muss aber die besser koordinierte Umsetzung von zielorientierten Investitionsmaßnahmen sein, wobei eine wesentliche Beschleunigung beim Ausbau der Breitband-Internetanbindungen die Messgröße sein sollte. Dabei ist es sicher hilfreich, einen Teil der Investitionen aus der Zweckbindung von zukünftigen 5G Mobilfunk-Lizenzeinnahmen zu allokieren, aber vom Volumen her voraussichtlich nicht ausreichend.“

 SPD Logo 360x360 „Wir investieren in schnelle Glasfaserverbindungen, die überall in Deutschland schnelles Internet ermöglichen“, so die SPD in ihrem Wahlprogramm. „Im Jahr 2025 wollen wir in Deutschland eine der modernsten digitalen Infrastrukturen haben. […] Die Versorgung mit einer Datengeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde soll nur ein erster Zwischenschritt bis 2018 sein. Unser Ziel sind Gigabitnetze. Bis 2025 sollen mehr als 90 Prozent aller Gebäude daran angeschlossen sein. Die hierfür notwendigen Investitionen werden wir fördern.“ Auch die Entwicklung des 5G-Standard soll weiter vorangetrieben werden ebenso wie „alle öffentlichen Einrichtungen offene und kostenfreie WLAN-Hotspots verfügbar machen“ sollen. Für die SPD ist offenes drahtloses Internet „Teil einer modernen digitalen Infrastruktur.“ Mehr dazu im Wahlkompass.
Einschätzung von Stephan Höhn: „Die Investitionen in Glasfaser-Infrastrukturen sind richtig und wichtig, wozu die angedachten Investitionsförderungen ein probates Mittel darstellen. Jedoch erscheint die gesetzte zeitliche Perspektive nicht dazu geeignet, die akuten Mangelerscheinungen in dieser Hinsicht zügig zu beseitigen. Auch nach Jahren der Regierungsverantwortung ist Deutschland unter den OECD-Staaten beim Glasfaser-Ausbau weiterhin ein Entwicklungsland und von einem Aufholprozess kann nicht ansatzweise die Rede sein. Daher hilft hier eine schlichte Weiterführung der bisherigen Programme mit Zielen in fernerer Zukunft nicht weiter. Die Unterstützung der Weiterentwicklung des Mobilfunks zum 5G-Standard ist eine begrüßenswerte Position, wobei hier die konkrete Ausgestaltung der Förderung auf breiter Ebene im Unklaren bleibt. Bei der Verfügbarkeit von freiem WLAN in Ballungszentren bietet sich im internationalen Vergleich trotz der vielfach schon vorhandenen Hotspots an öffentlichen Einrichtungen ein weiterhin trauriges Bild, hier sind neue Ideen gefragt.“

Die Linke Logo 360x360 „Wir schaffen Zugang zu schnellem Internet überall“, so DIE LINKE in ihrem Wahlprogramm. Für sie ist die „Verfügung über Computer und Internetzugänge ein Teil des Existenzminimums“, folglich hat „jeder Haushalt ein Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitband-Internetanschluss“. Weiterhin will die Partei „die Netzneutralität absichern“ und fordert: „Wo 100Mbit drauf steht, müssen auch 100 Mbit drin sein. […] Die Anbieter müssen statt maximal zu erreichender Datenmengen die garantierte Mindestmenge angeben.“ Außerdem möchte DIE LINKE „die offene Architektur des Netzes bewahren und so sein Potenzial für Innovation und Entwicklung fördern.“ Mehr dazu.
Einschätzung von Stephan Höhn: „Die Würdigung des Themas Digitalisierung wird im Programm offensichtlich, jedoch bleiben die angedachten Maßnahmen zur Förderung sehr unspezifisch. Wie das Versprechen „Wir schaffen Zugang zu schnellem Internet überall“ eingelöst werden soll, ist aus dem Programm nicht abzuleiten. Dabei wird der Anspruch auf die Breitband-Verfügbarkeit in allen sozialen Schichten verdeutlicht, wobei auch hier nicht konkretisiert wird, wie das „Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitband-Internetanschluss“ sichergestellt werden soll. Ein zu begrüßender Schwerpunkt des Programms ist die Stärkung des Verbraucherschutzes, aber auch hierbei werden die angedachten Änderungen seitens der Legislative nicht weiter ausgeführt. Vielmehr wird in Teilen eine Bewahrung des Status-Quo gefordert, was dem aktuellen Mangel in der Breitband-Internetversorgung nicht gerecht wird.“

 Die Grünen Logo 360x360 „Wir GRÜNE wollen in die Infrastruktur der Zukunft investieren“, so BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Wahlprogramm. Und weiter: „Wenn wir die Chancen der Digitalisierung nutzen und sicherstellen wollen, dass die digitale Gründer*innenzeit überall in Deutschland möglich ist, müssen wir jetzt in ein schnelles und flächendeckendes Internet investieren. Grundvoraussetzung dafür ist ein zukunftsfähiger Breitbandausbau auf Basis von Glasfaser. Wir wollen dazu den Bundesbesitz an Telekom-Aktien im Wert von rund zehn Milliarden Euro veräußern und in den Breitbandausbau investieren. Das Thema Digitalisierung muss dabei in der Bundesregierung besser koordiniert werden und im Kabinett eigenständig vertreten sein.“ Mehr dazu.
Einschätzung von Stephan Höhn: „Der Grundtenor zur Investitionsbereitschaft in den Breitbandausbau ist sehr zu begrüßen, jedoch bleiben die dafür vorzusehenden Maßnahmenplanungen recht vage. Die konkret genannte Zweckbindung von zukünftigen Veräußerungsgewinnen aus Telekom-Aktien klingt naheliegend, jedoch wird die Art der angedachten Investitionen nicht weitergehend erläutert. Sollen dies Direktinvestitionen des Bundes werden oder sind Förderungen vorgesehen? Das Instrument der Investitionsförderung ist für das Vorhaben sicher ein effektives Mittel, wenn die Bedingungen für die Vergabe entsprechend einfach sind und Bewilligungen in einem beschleunigten Verfahren erfolgen. Dabei kann dem Anliegen einer zukünftig besseren Koordination des Themas, innerhalb der kommenden Bundesregierung, nur zugestimmt werden. Die Fokussierung des Programms auf den Breitbandausbau auf Basis von Glasfaser wird der Komplexität der Aufgabe nicht gerecht, denn auch die Funkinfrastruktur ist in einem Gesamtkonzept unerlässlich.“

 FDP Logo 360x360 „Wir Freie Demokraten wollen die digitale Infrastruktur – privater und staatlicher Stellen – auf den neuesten Stand der Technik bringen“, so die FDP in ihrem Wahlprogramm. Dazu fordert die Partei zuvorderst „überall in Deutschland hochleistungsfähiges Internet durch flächendeckende Gigabit-Infrastrukturen“ – Stichwort: Glasfaser. „Der Ausbau soll in Regions-Clustern ausgeschrieben werden, sodass ein Ausbau auch im ländlichen Raum attraktiv ist. Alle Provider müssen Kapazitäten auf neuen Glasfaserleitungen mieten können. Dies ermöglicht echten Wettbewerb bis an die Grundstücke bei gleichzeitiger Refinanzierung über die kommenden Jahrzehnte.“ Zusätzlich möchte die FDP „mehr freies WLAN in öffentlichen Räumen, Gebäuden und dem öffentlichen Nahverkehr ermöglichen“ und setzt sich für die „Einführung eines Digitalministeriums“ ein. Mehr dazu im Wahlkompass Digitales.
Einschätzung von Stephan Höhn: „Die FDP hat die Digitalisierung als elementares Fokusthema angenommen, und adaptiert dabei vom Grundsatz her die u.a. bereits in Skandinavien erfolgreich angewandten kommunalen Modelle. Der Ausbau von Glasfaser-Infrastrukturen im Rahmen von Ausschreibungen in Regions-Clustern ist sicher dazu geeignet, dass Ausrollen dieser Technik zu beschleunigen. Die alleinige Festlegung auf Glasfaser bei Internetanschlüssen reflektiert den Wettbewerb der Technologien für flächendeckende Gigabit-Infrastrukturen nicht ausreichend und reduziert Funk nur auf mobile Anwendungen. Der Wunsch zu mehr freiem WLAN ist grundsätzlich zu begrüßen, dabei kann das Ausrollen „in öffentlichen Räumen, Gebäuden und Nahverkehr“ aber nur ein erster Anfang sein. Die „Einführung eines Digitalministeriums“ würde bei ausreichender Finanzierung die dringend notwendigen Gesetzgebungsmaßnahmen sicher beschleunigen, was im Sinne der Infrastrukturmaßnahmen grundsätzlich zu befürworten ist. Daneben muss dieses Querschnittsthema aber auch in den anderen Ressorts des Kabinetts prominent verankert werden, da Digitalisierung gesamtheitlich angegangen werden muss.“

Unsere Experten


Stefan Tiemann Stefan Tiemann ist Geschäftsführer der RFT kabel GmbH. Seit mehr als 25 Jahren nimmt das Brandenburger Unternehmen eine führende Rolle beim regionalen Breitbandausbau ein. Mit redundanten Glasfasernetzen und dem Betrieb eines Rechenzentrums setzt die RFT kabel auf Flexibilität, Sicherheit und Nachhaltigkeit für IT-Infrastrukturen und Dienstleistungen.
höhn Als Berliner Internetpionier arbeitet CBXNET mit jahrzehntelanger Erfahrung und Kompetenz an der Digitalisierung von Unternehmensprozessen und entwickelt als IT-Dienstleister für den Mittelstand innovative Lösungen und Produkte rund um das Internet. Dazu verfügt die Firma in Berlin über ein eigenes Richtfunknetz zur Breitbandvernetzung und betreibt Rechenzentrumsflächen für hochverfügbare Unternehmensanwendungen. Seit September 2014 führt der erfahrene IKT-Experte Stephan Höhn die Geschäfte der Berliner Firma. Zuvor war er als Produktmanager für Mobilfunk-Infrastruktur unter anderem bei Siemens und Nokia aktiv.

Hintergrund zum Wahlkompass Digitales

Das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft hat die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl am 24. September anhand verschiedener Faktoren untersucht. Der Wahlkompass Digitales soll vor allem Journalistinnen und Journalisten Orientierung in den Wahlprogrammen bieten. Die auf Basis des Wahlkompasses ausgemachten zentralen Vorhaben der Parteien werden von media:net Mitgliedern aus Sicht der jeweiligen Branche eingeordnet und eingeschätzt.

Ein gemeinsames Projekt von

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