1. Mit “Willkommen bei den Hartmanns”, “Toni Erdmann”, “Bibi & Tina 3” und “You Are Wanted” bewiesen Sie ein exzellentes Händchen in der Auswahl der vom Medienboard geförderten Filme und Serien. 1,6 Mio Euro erhielten Sie beim Medienboard-Empfang an Fördergeldern zurück. Am Sonntag fiebern Sie mit dem Team von “Toni Erdmann” um den Oscar in der Kategorie “Bester fremdsprachiger Film”. Wussten Sie beim ersten Blick auf den Förderantrag, dass dies ein grandioser Erfolg sein wird? Wieviel Bauchgefühl und Intuition stecken in der Entscheidung für oder gegen einen Förderantrag?
    • “Toni Erdmann” war in der Tat so ein Fall, bei dem man beim ersten Blick ins Drehbuch gemerkt hat: Das ist ein besonderes Projekt, das wird etwas Außergewöhnliches. Zudem hatte Maren Ade ja auch schon mit zwei herausragenden Vorgängerfilmen bewiesen, dass sie als Autorin und Regisseurin eine sehr eigene Handschrift hat, die sowohl beim Publikum als auch bei Festivals ankommt. Bei “Willkommen bei den Hartmanns” war die Kombination aus prominent besetzter Komödie und Flüchtlingsthematik das Besondere. Und “You Are Wanted” mit Berlin in der Hauptrolle trifft als erste deutsche Amazon Originals Serie hundertprozentig den Nerv der Zeit. Deshalb haben wir uns ja auch sehr dafür eingesetzt, dass unsere Förderrichtlinien ab 2015 so erweitert wurden, dass neben den klassischen Filmprojekten auch Serien – in meinem Geschäftsbereich die “High End Drama Series” – Unterstützung vom Medienboard erhalten können.
    • Grundsätzlich freuen mein Team und ich uns immer, wenn wir spannende, neue Stoffe und Ideen zu lesen bekommen, wie z.B. auch bei “Victoria”, der ja in einer Nacht und ohne Schnitt gedreht wurde. Ohne “professionelle Intuition” geht es sicher nicht, aber die Qualität des Drehbuches, die Macher und die Verwerter eines Projektes spielen die entscheidende Rolle.
  2. Frauen im deutschen Film: Nur 23% der Kinofilme werden von Regisseurinnen inszeniert, belegt die aktuelle Genderstudie der FFA. Frau Niehuus, ist der Anteil an weiblichen Führungskräften, Regisseurinnen, Autorinnen und Produzentinnen in den Berlin-Brandenburger Film- und Produktionsunternehmen höher als im Bundesdurchschnitt? Achten Sie bei den Förderanträgen auf eine “inoffizielle Frauenquote”?
    • Wir würden uns sehr freuen, wenn mehr Filme mit größeren Budgets und für ein breiteres Publikum eingereicht würden, die von einer Regisseurin inszeniert werden.
    • Letztes Jahr hat das ja auch schon ganz gut geklappt: “Toni Erdmann” (Maren Ade), “Vor der Morgenröte” (Maria Schrader), “Ich bin dann mal weg” (Julia von Heinz), “SMS für dich” (Karoline Herfurth), “Axolotl Blockbuster” (Helene Hegemann), “Auf einmal” (Asli Özge), “Traumfrauen” und “High Society” (Anika Decker), “Conni & Co” (Franziska Buch), “Tigermilch” (Ute Wieland) haben ein Millionenpublikum erreicht, internationale Filmpreise gewonnen und Kritiker-Rankings angeführt.
    • Dazu kommen noch jede Menge erfolgreiche Produzentinnen wie z.B. Regina und Tanja Ziegler, Janine Jackowski, Miriam Klein, Anna Wendt, Sarah Kierkegaard, Martina Haubrich und noch viele andere. Da es in Berlin-Brandenburg mehr Kreative als anderswo in Deutschland gibt, leben in der Hauptstadtregion natürlich auch mehr “Filmfrauen”. Wir setzen uns sehr dafür ein, dass Frauen bessere Chancen bekommen. Insbesondere sind da die Sender und Produzenten gefragt, denn sie vergeben die Aufträge.
  3. Die Filmindustrie zählt mehr als 161.000 Beschäftigte, setzte in 2014 rund 25 Mrd. Euro um, so die aktuelle Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Welchen Anteil haben die Berlin-Brandenburger Film-und TV-Produktionsunternehmen? Ist die Förderung aus Ihrer Sicht ausreichend und wie wird sich der Filmstandort in den kommenden Jahren entwickeln?
    • Dank der Studie haben wir es jetzt Schwarz auf Weiß: Die Filmwirtschaft ist von der Größe her ungefähr vergleichbar mit der deutschen Land- und Forstwirtschaft! Es lohnt sich also unbedingt für das Land, sie weiter anzukurbeln. In Berlin-Brandenburg sitzen die meisten Film- und Serienproduzenten bundesweit und eine Drehtagezahl von ungefähr 5000 Tagen pro Jahr – angeheizt durch den aktuellen Serien-Boom – zeigt ziemlich deutlich, welcher Druck auf dem Drehort liegt. Neben all den deutschen Projekten werden hier ja auch zahlreiche internationale Großproduktionen gedreht. Das geht allerdings nur so lange gut, wie wir als Filmstandort im internationalen Vergleich konkurrenzfähig sind. Unsere europäischen Nachbarn haben längst begriffen, dass Steueranreize für Filmproduktionen ein lohnenswertes Geschäftsmodell sind. Und dass es unbezahlbare Imagewerbung ist, wenn Hollywood mit Clooney, Pitt und Woody Allen zum Drehen kommt. Insofern begrüßen wir die Erhöhung des DFFF auf 75 Millionen ab 2017. Das war dringend nötig, um weiter große Filme in Deutschland zu produzieren.
    • Um den Filmstandort zukunftsfähig zu machen, ist es aber unerlässlich, zukünftig auch große Serien und aufwendige filmtechnische Arbeiten, sogenannte Visual Effects, die mit Hilfe neuester Technologien entstehen, in Deutschland zu unterstützen! Und: Die Deckelung der Förderung muss weg.

 

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