1. Herr Dr. Allerkamp, Herr Stenger: Welche Rolle spielt der Faktor „Internationalisierung“ in der Wirtschaftsförderung in Berlin und Brandenburg?
    • Herr Dr. Allerkamp: Der Faktor Internationalisierung spielte in Berlin schon immer eine große Rolle, hat aber gerade in den zurückliegenden Jahren enorm an Bedeutung zugenommen. Das hängt ganz stark mit der Entwicklung in den Bereichen IKT/Medien/Kreativwirtschaft zusammen. Aus dem kürzlich von media.net und Medienboard veröffentlichten medien.barometer geht ja auch hervor, dass zwei Drittel der in diesem Bereich tätigen, zumeist kleinen und mittleren, Unternehmen schon international unterwegs sind. Und: 77 Prozent der Unternehmen, die derzeit noch auf Deutschland beschränkt sind, planen den Weg ins Ausland. Ich bin überzeugt, dass die Erschließung neuer Märkte im Ausland das Wachstumspotenzial insbesondere von Technologie-Startups steigert und hohe Beschäftigungseffekte mit sich bringt. Deshalb haben wir gerade erst im Juli unser neues „Programm für Internationalisierung – Förderung von KMU-Projekten“ (PfI-KMU) gestartet. Damit können wir zum Beispiel die Teilnahme von KMU an Messen, Ausstellungen und Kongressen oder die Einstellung von Außenwirtschaftsassistentinnen und –assistenten gezielt finanzieren.
    • Herr Stenger: Bevor wir über Internationalisierung sprechen können, müssen wir Brandenburgs Stellung in den aktuellen wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang einordnen. Als Flächenland sind für uns vor allem die verschiedenen, traditionellen Industriestandorte sowie der kreative Speckgürtel um die Hauptstadt von gehobener Bedeutung. Wir haben in diesem Sommer einen besorgniserregenden Kurssturz der chinesischen Börse erlebt, der Deutschland als exportstarke Nation direkt betrifft. Durch Auftragsrückgänge in der Zuliefererindustrie wird auch das nicht so exportstarke Brandenburg davon betroffen sein. Warum ist die Internationalisierung unserer Betriebe dennoch wichtig? Weil sie uns insgesamt unabhängiger von konjunkturellen Schwankungen einzelner Wirtschaftsräume macht.
    • Mit unserem Förderprogramm “Markterschließung im Ausland und Messen (M2)” fördern wir daher ganz gezielt die Internationalisierung von KMU durch Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit sowie der Innovationsfähigkeit mit Bezug zu internationalen Märkten. Das Programm wurde seit der Veröffentlichung sehr gut angenommen, was uns zeigt, dass auch die Motivation der Brandenburger Unternehmer im Bereich Internationalisierung hoch ist.
  2. Auf welche Fördermaßnahmen und Instrumente, insbesondere in den digitalen und Medienbranchen, blicken Sie mit Stolz zurück? Gab es Erfolgstories in den letzten Monaten?
    • Herr Stenger: 2014 haben wir unser neues Flaggschiff der Technologieförderung gestartet: das Programm “ProFIT Brandenburg”, eine Kombination aus Zuschuss- und Darlehensförderung, mit der nun bis zu 100 Prozent der förderfähigen Ausgaben finanziert werden können und das ohne Erbringung der banküblichen Sicherheiten. Im gesamten Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft verzeichnen wir für 2014 ein Investitionsvolumen von 36 Millionen Euro und 220 neu entstandene Arbeitsplätze. Eine Erfolgsstory im Bereich der Medienförderung, wenn auch kein einfaches Projekt, war sicherlich die am 02.07. in den deutschen Kinos gestartete Komödie “Men & Chicken” mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle. Der Film hat Förderungen über 1,2 Millionen von der ILB erhalten, in Kooperation mit der IBB sowie dem Medienboard. Der Film rangierte in der deutschlandweiten Kinoauswertung zeitweise unter den bestbesuchten Arthouse-Filmen.
    • Herr Dr. Allerkamp: 2014 haben wir die Unternehmen im Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft mit Finanzierungszusagen in Höhe von 93 Mio. Euro gefördert. Dabei kamen in erster Linie die Investitionszuschüsse im GRW-Programm (34 Mio. Euro) und die Technologieförderung im Rahmen von Pro FIT (25 Mio. Euro) zum Einsatz. Zu den erfolgreichen Unternehmen, die wir mit Pro FIT-Mitteln gefördert haben gehören unter anderem der Web-Dienstleister Metrinomics und die Audio-Streaming-Plattform Aupeo. Von sehr großer und stetig wachsender Bedeutung gerade für die Digitale Wirtschaft ist aber auch der Einsatz von Venture Capital.
  3. Ein gutes Stichwort. Hier gibt es ja das „Investors‘ Dinner“, zu dem das media.net regelmäßig einlädt…
    • Herr Dr. Allerkamp: … und bei dem die IBB ja auch von Anfang an als Partner dabei ist. Für innovative Startups, die beiden Förderbanken sowie VC-Geber ist diese Initiative eine exzellente Begegnungs- und Präsentationsplattform, die auch dazu dient, den Technologie-Standort Berlin-Brandenburg generell voranzubringen. Übrigens: die Bedeutung von Risikokapital hat die IBB schon vor vielen Jahren erkannt. Allein 2014 haben wir über unsere IBB Beteiligungsgesellschaft – kurz: IBB Bet – in 50 Finanzierungsrunden rund 13 Mio. Euro investiert. Mit privaten Co-Investoren flossen insgesamt 66 Mio. € an Berliner Startups. Zu unseren erfolgreichen VC-Beteiligungen gehören z. B. der Online-Herrenausstatter „Outfittery“ oder das webbasierte Sprachenlern-Tool „Babbel“. In den zurückliegenden Jahren hat sich die Digitale Wirtschaft zunehmend zum Taktgeber der Berliner Wirtschaft entwickelt. Dies wirkt zweifellos anziehend auf internationale Investoren. Schon heute ist Berlin in Puncto VC-Kapital in Deutschland die unangefochtene Nr. 1 und in Europa die Nummer 2 hinter London. Der Abstand zwischen Berlin und London hat sich in den letzten Jahren immer mehr verringert, so dass wir anpeilen, London als Venture Capital-Metropole Nummer 1 abzulösen.
    • Herr Stenger: Für die ILB ist das Investors’ Dinner ebenfalls eine von mehreren wichtigen Plattformen, um die Brandenburger Kreativ- und Digitalwirtschaft besser mit neuen Ideengebern und potentiellen Partnern zu vernetzen. Natürlich profitiert die Hauptstadtregion klar von dem Ruf, den sich Berlin in den letzten Jahren auch international in der Start-up-Szene erarbeitet hat. Die Expertise und den Glamour möchten wir mit Veranstaltungen wie dem Investors’ Dinner natürlich ein Stück weit nach Brandenburg tragen. Im Bereich Risikokapital sind wir mit dem BFB Frühphasenfonds und dem BFB Wachstumsfonds ebenfalls aktiv. In den vergangenen Jahren haben wir über diese Fonds 40 junge Unternehmen finanziert, von denen rund die Hälfte dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie zuzuordnen sind. Da der BFB Frühphasenfonds mittlerweile ausinvestiert ist, haben wir für Ende 2015 die Auflegung eines 70 Millionen Euro starken Eigenkapitalfonds geplant, finanziert aus Eigenmitteln und Geldern der EU. Der Fonds wird auf Frühphasen- und Wachstumsfinanzierungen abzielen.
  4. Vorzeige Unternehmen der Gamesbranche, wie Wooga oder King, konnten sehr erfolgreich VC Gelder einsammeln. Dem gegenüber stehen zahlreiche kleine Gamesunternehmen, die es zunehmend schwer haben Venture Capital einzusammeln. Die Medienboard Förderung für innovative Audiovisuelle Medien, zu denen auch Games gehören, setzt mit 1 Mio. Fördersumme ein gutes, wenn auch kleines Signal. Müsste aus Ihrer Sicht, Herr Dr. Allerkamp, Herr Stenger daran angeknüpft werden und weitere Programme ins Leben gerufen werden? Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht sinnvoll, damit Kapital wieder vermehrt in die Games-Branche fließt?
    • Herr Stenger: Zunächst muss ich sagen, dass ich eine eigenständige Brandenburger Gamesbranche eigentlich nicht sehe. Entscheidend sind hier nicht nur die Finanzierungsbedingungen, sondern auch der richtige “Kiez”, die schnelle Verfügbarkeit von Entwicklern und der Austausch mit vergleichbaren Unternehmen. Brandenburg wird auf absehbare Zeit daher vermutlich kein Hotspot der Branche werden, anders als im allgemeineren ICT-Bereich, wo wir beispielsweise mit dem Hasso-Plattner-Institut und Oracle gleich zwei Markt- und Innovationsführer aufweisen können. Nichtsdestotrotz bemühen auch wir uns, die Gamesbranche der Hauptstadtregion insgesamt zu stärken. Dazu ist es entscheidend, die richtigen Leute zusammenzubringen und ihnen Plattformen zum Austausch zu geben. Gute Ideen müssen auf Kapital treffen und die Awareness für die Anforderungen der Branche muss insgesamt erhöht werden. Dafür sorgen wir bspw. mit dem Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg, der in diesem Jahr sein 20. Jubiläum feiert und den wir gemeinsam mit der IBB und den UVB organisieren. Einer der letztjährigen Preisträger ist die Thoughtfish GmbH, ein Entwickler für Social Games. Wenn wir solche Plattformen verstärkt nutzen, ihre nationale und internationale Bedeutung erhöhen, dann ist das eine gute Maßnahme für mittelfristig höhere Kapitalflüsse in die Branche.
    • Herr Dr. Allerkamp: Mit dem VC Fonds Kreativwirtschaft Berlin II, der von der IBB Bet gemanagt wird, haben wir gerade auch für Unternehmen der Games-Branche bereits ein passgenaues Instrument. Bis 2022 stehen im Rahmen dieses Fonds immerhin rund 40 Millionen Euro zur Verfügung. Damit lässt sich einiges bewegen.
  5. Dr. Allerkamp, Herr Stenger: Welche Entwicklungsperspektiven sehen sie für die Berlin-Brandenburger Medien- und IT-Unternehmen?
    • Herr Dr. Allerkamp: Die Entwicklungsperspektiven der Berliner Medien und IT-Unternehmen sind durch den welt-weiten Digitalisierungsprozess auch weiterhin sehr positiv. So liegen etwa die Wachstumsraten der Unternehmen, die die IBB Bet aus diesem Bereich in ihrem Portfolio hat, zwischen 20 und 50 Prozent. Überhaupt bin ich überzeugt, dass die digitale Durchdringung die Wirtschaft kom-plett verändern wird. Dies ist auch eine große Chance für die Berliner Wirtschaft.
    • Herr Stenger: Die Region Berlin-Brandenburg hat sich längst zu einem der wichtigsten Medienstandorte in Deutschland entwickelt. In den letzten 10 Jahren haben wir eine Verdopplung der Unternehmen der stationären Internetwirtschaft verzeichnet, die Zahl der Beschäftigten ist um 45 Prozent auf über 60.000 gestiegen. Es herrscht eine unverändert gute Binnenkonjunktur, wir nutzen unsere Möglichkeiten, um Gründungen zu erleichtern und z.B. mit unseren Fonds durch Folgefinanzierungen die Unternehmensentwicklungen langfristig zu begleiten. Gleichzeitig verschiebt sich der Bedarf an Dienstleistungen durch Zukunftsprojekte wie Industrie 4.0 mehr und mehr in Richtung ICT und das Unterhaltungsbedürfnis der Bevölkerung wird auch nicht abnehmen. Daher räume ich der Branche insgesamt großartige Perspektiven ein. Ihr gehört die Zukunft und ihre Bedeutung wird auch in klassischen Industriezweigen nur noch mehr zunehmen.