1. Frau Uzunoglu, welchen Wert haben digitale Spiele in Krisenzeiten? Verstärken sie die Isolation oder ist das Gegenteil der Fall? Können Spiele in Zeiten von Social Distancing gar für mehr Miteinander, Empathie, Zusammenhalt sorgen?
    • Am Wert digitaler Spiele ändert sich in Krisenzeiten erstmal nichts, denn einen gesellschaftlichen (Mehr-)Wert besitzen Games sowieso – auch in normalen Zeiten. Games sind Kulturgut und Innovationstreiber und sie haben bereits viele Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft durchdrungen. Games werden bereits seit Jahren in der Bildung bzw. Aus- und Weiterbildung sowie im Gesundheitsbereich und in der Forschung – wie z.B. jetzt in der Coronakrise mit dem Spiel „Foldit“ – erfolgreich eingesetzt. Ohne Frage bekommen Games in der aktuellen Situation natürlich noch mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung, da wir recht unbeeinflusst von den aktuellen Einschränkungen digital spielen können. Vor allem können wir dank digitaler Spiele auch räumlich getrennt weiterhin miteinander spielen, was natürlich für mehr Zusammenhalt sorgt. Auch Initiativen aus der Games-Branche wie der Stay Safe! Jam haben gezeigt, dass sich Games-Enthusiast*innen trotz Isolation nicht alleine fühlen müssen, weil in diesem Fall z.B. das gemeinsame Spieleentwickeln per Online-Tool verbindet – Distant Socialising anstatt Social Distancing. Die Coronakrise unterstreicht so die Rolle von Games als digitales Leitmedium zusätzlich.
  2. Was genau ist der Auftrag der Stiftung Digitale Spielekultur? Welche Projekte/Initiativen sind Ihnen besonders wichtig?
    • Wir bauen Brücken zwischen der Welt der digitalen Spiele und den zivilgesellschaftlichen und politischen Institutionen in Deutschland. Als Chancenbotschafterin veranschaulichen wir, was sich mit den Denkansätzen, Mechaniken und Technologien hinter Games alles machen lässt. Konkret setzen wir dabei Projekte in Form von Formaten, Veranstaltungen und Studien in den Feldern Kultur, Bildung und Forschung um. Wichtig sind mir natürlich all unsere Projekte, denn sie veranschaulichen je auf eigene Art, wie sich mit Games die Digitalisierung unserer Gesellschaft gestalten lässt. In der aktuellen Situation gewinnen natürlich unsere Projekte im Bildungsbereich, wie z.B. die Initiative „Stärker mit Games“ oder das Jugendförderprogramm „GamesTalente“, an Bedeutung. Wir haben uns allerdings bereits seit Jahresbeginn mit unserer Arbeit auf das Thema Demokratie im digitalen Zeitalter konzentriert, das natürlich durch die aktuelle Krise nochmal an Relevanz gewonnen hat: Wie funktioniert Demokratie, wenn das Versammlungsrecht eingeschränkt ist und Diskurse primär im Netz stattfinden? Wir wollen aufzeigen, welche Potenziale Games für die digitale Gesellschaft bieten, weshalb wir unter anderem am 28. Oktober 2020 im Rahmen der gamesweekberlin die Fachkonferenz „Demokratie durchgespielt?“ veranstalten. Wir arbeiten auch an einer Kampagne mit Influencer*innen aus der Games-Branche, mit der wir jungen Menschen die Stärken der Demokratie näherbringen wollen. Mit unserem „Pitch Jam“ veranschaulichen wir außerdem, wie sich Erinnerungskultur mit Games – also digital und interaktiv – gestalten lässt. In Zeiten menschenleerer Gedenkstätten hat auch dieses Thema enorm an Bedeutung gewonnen.
  3. Aktuell haben Sie eine umfangreiche Liste mit digitalen Spielen mit pädagogischem Potential kuratiert. Bisher sind digitale Spiele im schulischen Kontext noch nicht wirklich angekommen. Welchen Markt sehen Sie für digitale Spiele im Raum Schule? Welches Potential für die Games-Unternehmen?
    • Wenn wir über das Potential von Games im Bildungsbereich reden, meinen wir natürlich vor allem das Bildungspotential. Wie können Lehrkräfte und Schulen und am Ende natürlich auch die Schüler*innen von Games im Unterricht profitieren? Um das herauszufinden, werden wir im Laufe des Jahres eine Studie und einen Modellversuch an Schulen in Berlin starten. Dass Lehren und Lernen vom Einsatz digitaler Spiele stark profitieren, zeigen wir bereits seit einigen Jahren mit unseren Bildungsprojekten im außerschulischen Bereich. Die von Ihnen erwähnte Liste mit pädagogisch wertvollen Spielen trifft auch bereits auf großes Interesse. Wir haben die Liste vor dem Hintergrund der Coronakrise erstellt, um Lehrkräften und Eltern eine Orientierung zu bieten, welche Spiele sich in Verbindung mit bestimmten Themen und Fächern zum Lernen einsetzen lassen. Wir sind der Meinung, dass Lernspiele im digitalen Zeitalter zur Vermittlung von Unterrichtsinhalten dazu gehören sollten. Wenn wir mit der erwähnten Studie am Ende auch bildungspolitische Institutionen bundesweit vom Potential von Games im Unterricht überzeugen können, werden sich dadurch natürlich auch neue Chancen für Games-Unternehmen ergeben. Wir machen letztendlich aber keine Wirtschaftsförderung. Uns geht es vor allem um das Aufzeigen der gesellschaftlichen Potentiale von Games im digitalen Zeitalter
  4. Ihr Tipp fürs Home Office?
    • Für mich ist es wichtig, möglichst viel Routine beizubehalten (Jour fixes, Teammeetings, Austausch mit Partnern in Form von Videocalls etc.) und mich regelmäßig mit meinem Team auszutauschen. Wir haben jeden Morgen zum Start in den Arbeitstag ein kurzes Online-Meeting, um aktuelle Themen und Herausforderungen zu besprechen und zu klären. So bleiben wir alle auf dem Laufenden, auch wenn wir uns nicht sehen. Ohne das gemeinsame Arbeiten im Büro ist der regelmäßige Kontakt für unseren Teamgeist sehr wichtig. Wir verlieren uns so nicht aus den Augen. Wichtig ist natürlich auch die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem, Pausenzeiten zu haben und nicht am Laptop sitzend schnell nebenbei zum Mittag zu essen. Sich jeden Tag zu bewegen und neu zu motivieren ist ebenso wichtig.

 

April 2020