1. Frau Oberdorf, das Kaufverhalten von Konsument*innen hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert – die Corona-Pandemie hat nochmals eine Dynamik hereingebracht. Wie nehmen Sie diese Entwicklungen derzeit wahr und wie beeinflussen sie Ihren beruflichen Alltag, sprich Ihre Projekte?
    • Dass sich das Kaufverhalten bzw. der Anspruch von Konsument*innen stark verändert, ist eine Entwicklung, die unabhängig von Corona Einzug genommen hat – getrieben vor allem durch die Digitalisierung. Wenn ich als Kundin die Option habe, Angebote innerhalb von Sekunden online zu vergleichen und Preise sowie Qualität auf einem ähnlichen Niveau sind, dann entscheide ich mich für die Marke, die mir das beste Kauferlebnis bietet. Auf Seite der Unternehmen entsteht dadurch ein gewisser Zugzwang, denn Kundenabwanderung kann enormen negativen Einfluss auf ihre Umsätze haben – und dem wollen sie natürlich entgegenwirken.

       

    • Customer Experience Management wird also immer mehr von der Kür zur Pflicht. Hier setzen wir mit zenloop an: Unsere Plattform sammelt für Unternehmen Kundenfeedback ein, analysiert die Ergebnisse und leitet automatisiert Handlungen ab, um zufriedene Kund*innen zu binden und unzufriedene Kund*innen zurückzugewinnen. Fallstricke sowie Wachstumstreiber in der Customer Journey lassen sich identifizieren und beheben bzw. fördern.

       

    • Durch Corona haben wir vor allem festgestellt, dass die Branchen, die von der Situation profitieren – also beispielsweise Lebensmittel- oder Möbel-Onlinehandel – sich nun noch mehr mit ihrer Customer Experience beschäftigen als vorher. Ich denke, in dieser Ausnahmesituation wurde klar: Wenn wir jetzt nicht so nah an den Bedürfnissen der Kund*innen agieren, wie möglich, verpassen wir eine riesen Chance.
  2. Die Kundenbindung ist also eines der Themen, die immer wichtiger werden. Worauf sollten Marketeers in puncto Customer Experience achten, um Kund*innen eine herausragende Kauferfahrung zu bieten? Welche Trends gibt es derzeit?
    • Da gibt es viele Themen. Wenn wir es auf den Bereich Experience Management, mit dem wir uns beschäftigen, beschränken, sehe ich derzeit vor allem zwei Trends: Zum einen Experience-Daten in die Kundenkommunikation einbinden, zum anderen Customer-Experience-KPIs auf unternehmensstrategischer Ebene verankern, um wirklich alle Abteilungen auf dem Weg hin zur kundenzentrierten Organisation mitzunehmen.

       

    • Zum ersten Beispiel: Oft haben Unternehmen historische Daten zu vorherigen Erfahrungen ihrer Kund*innen, nutzen diese jedoch nicht, um mit ihnen basierend auf genau diesen Erfahrungen zu kommunizieren. So versenden viele Händler immer noch eventbasierte „Spray and Pray”-CRM-Kampagnen – beispielsweise zum Geburtstag oder wenn Kund*innen seit 3 Monaten nichts mehr gekauft haben. Experience-Daten jedoch ermöglichen eine viel personalisiertere und fallspezifischere Ansprache, indem das CX-System und das CRM-System miteinander verbunden werden. Kund*innen fühlen sich „besser verstanden” und sind in der Regel eher bereit, dem Unternehmen trotz ihrer negativen Erfahrung noch eine zweite Chance zu geben.

       

    • Der zweite Trend ist, Prozesse aufzusetzen, mit denen sich diese Experience-Daten in den Quartals- und Jahreszielen widerspiegeln lassen, um so unternehmensstrategische Entscheidungen mit zu lenken und die Kundenzentrierung voranzutreiben. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, das Thema Customer Experience bis in die Führungsebene zu tragen und Verständnis für die Relevanz des Themas zu schaffen.
  3. Wie könnte sich das Kaufverhalten in den kommenden Jahren entwickeln? Mit welchen Konsequenzen für die Marktteilnehmer*innen?
    • Ich denke, dass das Kaufverhalten immer flüchtiger werden wird und sich in erster Linie die Marken durchsetzen, die es schaffen, zu echten Love Brands zu werden. Für Unternehmen, die das Thema Customer Experience bisher vernachlässigt haben, wird aus meiner Sicht ein Umdenken nötig sein, um das Ruder noch rechtzeitig rumzureißen. Derzeit hört und liest man aus unterschiedlichen Gründen viel von Gorillas. Die Geister mögen sich scheiden bei der Frage, wie nachhaltig das Geschäftsmodell langfristig ist, aber ich denke Lebensmittellieferungen innerhalb von Minuten zu Supermarktpreisen anbieten und die Lieferung dann noch mit einer handgeschriebenen Dankeskarte ausstatten, ist genau der Benchmark für Kundenerfahrung, an der sich Unternehmen in Zukunft messen lassen müssen – auch in anderen Industrien.

       

    • Ein weiteres Beispiel ist Netflix. Das Team hat es geschafft, mithilfe von Datenanalyse eine hoch personalisierte Customer Experience zu bieten – von Film- und Serienvorschlägen bis hin zum Artwork, welches Nutzer*innen in Thumbnails angezeigt wird. Durch die Analyse des Nutzerverhaltens war es beispielsweise möglich zu identifizieren, dass ein Großteil der Zuschauer*innen Serien gerne innerhalb kurzer Zeit konsumiert, anstatt wöchentlich auf eine neue Episode zu warten. Dieser Erkenntnis folgte die Neuregelung, einige Serien staffelweise zu veröffentlichen – Binge Watching war geboren. Ich glaube, so müssen Unternehmen in Zukunft denken und handeln, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Juni 2021

Bild: zenloop GmbH