1. Wir freuen uns sehr, dass Sie uns Ihre Location für eines der High Noon-Events zur Verfügung stellen. Bei den High Noons geht es um die Pläne der Berliner Parteien für die Medien-, Musik-, Kreativ- und Digitalwirtschaft in der kommenden Legislaturperiode. Das Frannz als Veranstaltungsort, was sind Ihre konkreten Forderungen an die Politik für die nächsten fünf Jahre?
    • Ganz unmittelbar eine Öffnungsperspektive. Ich meine damit nicht Veranstaltungen unter Auflagen, sondern tatsächlich die Rückkehr zur alten Normalität. Als ungeförderter Kultur- oder Kreativbetrieb sind wir nicht lebensfähig, wenn wir nicht des Öfteren Vollauslastung bei unseren Veranstaltungen und auch im gastronomischen Bereich sehen. Wann der Zeitpunkt dafür heranrückt, um die eindämmenden Maßnahmen gegen das Virus auszusetzen, das wird politisch zu entscheiden sein. Wir bleiben bis dahin auf Hilfsprogramme angewiesen. Entscheidend ist aus meiner Sicht weniger, dass rasch geöffnet wird. Wir tragen mit, was die Bekämpfung der Pandemie uns abverlangt! Aber uns würde es unendlich helfen, wenn wir einen Termin hätten, auf den wir zuarbeiten könnten. Ich kann meine Sympathie für eine Stichtagslösung nicht verhehlen und verfolge daher gespannt die Entwicklung in Großbritannien.

       

    • Die Unwägbarkeiten werden jedoch nach einem Neustart noch nicht vorbei sein, fürchte ich. So wie die Gewöhnung wird auch die Entwöhnung an das Leben in der Pandemie Zeit brauchen. Die Lösung der Probleme, die dadurch entstehen, die kann uns keiner abnehmen. Aber wir hoffen schon darauf, dass die Politik dafür sensibel und ansprechbar bleibt und bei Bedarf weiter stützt.

       

    • In der längeren Perspektive wünschen wir uns, dass der im letzten Jahr per Senatsbeschluss eingeschlagene Weg – nämlich Clubs als Kultur zu begreifen – ordnungspolitisch und verwaltungsrechtlich vertieft wird. Erst dadurch kann greifbare Unterstützung für die Clubs entstehen, beim Thema Räume und Flächen, bei Genehmigungen oder Finanzierung.
    • Und schließlich ganz konkret für uns hier in der Kulturbrauerei wünschen wir uns eine Sicherung des Standortes für die kulturelle Nutzung. Die ist auf mittlere und lange Sicht nicht gegeben.
  2. Die Corona-Pandemie hat auch Ihre Einrichtung hart getroffen. Wie sind Sie mit der Situation umgegangen? Konnten Sie Ihr Kerngeschäft erweitern, neue Angebote schaffen?
    • Am Anfang stand die Entscheidung nach der Pandemie noch zu existieren, die dafür nötige Energie und das nötige Geld aufzubringen. Als klar wurde, es wird dabei Hilfestellung geben, vom Bund, vom Land Berlin, da wurden wir bestärkt. Hervorheben muss ich aber die Solidarität, die uns schnell begegnete: Von Kunden, aus der Branche, ein legendäres Solikonzert von Knorkator, im Personal, von Partnern usw. Radioeins hat uns im letzten Jahr damit überrascht, mit uns in unserem Biergarten ein “Dauerfestival” zu veranstalten. Eine Radioshow mit Livepublikum über zwei Stunden jeden Montag bis Freitag den ganzen Sommer lang. Klein aber fein, die ganze Zeit hygienekonform und mit dankbaren Künstlern und Gästen, weil die echte Menschen vor sich sitzen hatten. Das hat unser aller Lebensgeister wachgehalten, eine Aussicht auf eine Zeit nach der Pandemie. Das Sommerfestival mit radioeins ging dieses Jahr in die zweite Runde.

       

    • Unser Kerngeschäft beruht auf Präsenz. Und wir werden dahin zurückkehren, die Leute werden zurückkehren! Die Verbote haben uns den Verlust klar vor Augen geführt, aber auch das Bedürfnis.
    • Um nicht zur völligen Untätigkeit verdammt zu sein – vor allem in den anfänglichen Zeiten der harten Kontaktbeschränkungen – hatten wir recht schnell begonnen mit Versuchen, einige unserer Formate ins Internet zu bringen. Anfangs sogar mit ein paar überraschenden Erfolgen. Es setzte damals eine rechte Schwemme ein und wir waren nicht die einzigen mit der Idee. Mit einer abnehmenden Bereitschaft der Leute, sich alles Mögliche auf Bildschirmen zu betrachten, musste man rechnen. Dennoch: Was wir uns in der Zeit erarbeitet haben an Möglichkeiten zu übertragen, im Haus, außer Haus oder aufzuzeichnen, das bleibt uns erhalten. Diese Möglichkeiten wollen wir in der Zukunft nutzen. Hier ergeben sich Optionen für unsere Eigenvermarktung, aber es eröffnen sich ebenso Optionen für viele Kunden innerhalb bestehender Formate, aber auch für Formate, die wir früher gar nicht bedienen konnten. Dort nämlich, wo die Aufzeichnung oder die Übertragung ins Netz wichtig oder vielleicht sogar Bedingung ist.
  3. Welche Pläne verfolgen Sie mit dem Frannz in den nächsten Jahren? Wie können die Mitgliedsunternehmen des media:net und der Berlin Music Commission von ihrer Location profitieren?
    • Ein wichtiger Meilenstein wird die Konsolidierung nach der Pandemie sein, fürchte ich. Sollten diese Sorgen übertrieben sein, würde ich mich freuen. Wir werden unsere Formate weiterentwickeln und die Veranstaltungsdichte weiter ausbauen.

       

    • In der Krise wurde die Bedeutung der Branchenverbände – in unserem Fall die Clubcommission Berlin und die Livekomm – sofort klar. Nach meiner Beobachtung sind hier viele Kontakte intensiviert worden und auch neue entstanden. Über Clubkultur und Musikspielstätten hinaus war ja aber der gesamte Kulturbetrieb betroffen: Theater, Kino, Festivals, Museen usw. Auch hier ergaben sich aus der gleichen Betroffenheit heraus Kontakte und Austausch. Am meisten bin ich aber darauf gespannt, ob etwas und was daraus resultieren wird, dass es viele Gespräche mit Politik und Verwaltung gab, vom Stadtbezirk bis in die Bundesebene. Meine Hoffnung ist, dass hier gegenseitiges Verständnis gewachsen ist und dass dies in der Zukunft helfen kann.

       

    • Neben unserem Tagesgeschäft und unseren eigenen Formaten arbeiten wir im Frannz von Beginn an mit anderen Veranstaltern, Agenturen, Sendern und Firmen zusammen und haben nun viele Jahre Erfahrung bei der Umsetzung von Veranstaltungen. Im Zentrum steht natürlich die Musik, aber wir haben auch immer wieder andere Produktionen bei uns aus Film, Funk, Theater, Show. Hier im Frannz ist vieles möglich und darüber hinaus auf dem Gelände der Kulturbrauerei ebenfalls. So wird auch in diesem August die Pop-Kultur als Branchentreff der Musik bei uns zu Gast sein, so wie auch im letzten Jahr und in den Jahren davor. Wir können also auch Pandemie.

 

Juli 2021

Bild: (c) Frannz Club | Ingo Witzmann (rechts), Mit-Geschäftsführer Uwe Lippold (links)